Ethikveranstaltung gut besucht

Dr. med. Matthias Thöns
Palliativmediziner und Buchautor („Patient ohne Verfügung")

Prof. Dr. rer. nat. Rolf R. Diehl
Vorsitzender des klinischen Ethikkomitees am Alfried Krupp Krankenhaus

Dr. med. Marc Knauber
Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie am Alfried Krupp Krankenhaus

Übertherapie am Lebensende? - Ganz offensichtlich ein Thema das viele Menschen beschäftigt. Rund 160 Besucher kamen zur Veranstaltung des hauseigenen Ethikkomitees ins Alfried Krupp Krankenhaus und diskutierten mit Dr. med. Matthias Thöns, Palliativmediziner, Buchautor und Kritiker aus Witten, sowie weiteren Podiumsgästen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. rer. nat. Rolf R. Diehl, Vorsitzender des klinischen Ethikkomitees am Alfried Krupp Krankenhaus.

Fallbeispiele wühlen auf

Dr. med. Matthias Thöns untermauerte seinen grundsätzlichen Vorwurf, dass bei der medizinischen Versorgung „oft finanzielle Interessen im Vordergrund“ stünden, mit zahlreichen, nicht selten schauerlichen Fallbeispielen. Seine Thesen: Da werde schon einmal nur deshalb operiert, weil es sich um einen Privatpatienten handele, auch werde häufig der Wunsch von Patienten, schmerzfrei und in Ruhe sterben zu dürfen, ignoriert. Weil der Einsatz von Beatmungsgeräten nach Tagen und Stunden honoriert wird, dehne man die Behandlung in diesen Fällen oft über das medizinisch sinnvolle Maß aus.

„Übertherapie wird extrem gut bezahlt“, provoziert Dr. Matthias Thöns , sieht die Hochleistungsmedizin aber nicht nur aus ethischen Gründen äußerst kritisch. Weniger sei in dieser Angelegenheit mehr, so lautet sein Credo: „Wir könnten die Kosten um 30 Prozent senken und sogar noch bessere Medizin machen.“ Dass sich inzwischen 1500 Mediziner dem im „Stern“ veröffentlichten Ärzteappell angeschlossen haben, nicht in jedem Fall alles zu unternehmen, was die Hochleistungsmedizin hergibt, wertet Thöns, der für seinen Vortrag freundlichen Applaus bekommt, als Schritt in die richtige Richtung.

Lebhafte und kritische Diskussion

Dann beginnt die Diskussion, und sowohl Dr. med. Marc Knauber, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie am Alfried Krupp Krankenhaus, als auch Dr. med. Markus Küpper, Oberarzt der Kardiologie am Klinikum Westfalen in Dortmund, weisen für ihre Häuser den Vorwurf, Patienten aus finanziellen Gründen länger als nötig an den Beatmungsgeräten zu lassen, zurück. „Wenn es medizinisch nicht intendiert ist, wird nicht beatmet“, so Dr. Knauber klipp und klar. Und weiter: „Ich bekomme hier im Alfried Krupp Krankenhaus die Beatmungszeiten erst dann mitgeteilt, wenn der Patient wieder weg ist.“

Prof. Dr. med. Sven Lendemans, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Alfried Krupp Krankenhaus, räumt im Verlauf der Diskussion zwar ein, dass es in deutschen Kliniken durchaus einen „wirtschaftlichen Druck“ gebe, formuliert aber gerade deshalb eine grundsätzliche Forderung: „Wir dürfen uns nicht dazu hinreißen lassen, zu operieren, um Krankenhäuser zu retten.“

Michaela Friedrich-Sikorski, die Leitende Koordinatorin des Ambulanten Hospizdienstes am Alfried Krupp Krankenhaus, möchte die grundsätzlich negative Zustandsbeschreibung von Dr. med. Matthias Thöns nicht unwidersprochen stehen lassen. „Man kann definitiv noch in Würde sterben“, sagt Friedrich-Sikorski und stellt das „Schwerpunktthema Kommunikation“ in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Oft herrsche einfach Unsicherheit zwischen allen Beteiligten, deshalb fordert sie: „Wir müssen viel mehr miteinander sprechen.“ Auch Dr. med. Marc Knauber wünscht sich mehr Hinweise aus dem persönlichen Umfeld der todkranken Patienten, zudem sei das juristische System „nicht klar genug“.

Das bemerkenswerte Schlusswort kommt aus dem Publikum, von einer Krebspatientin, die einen ganz anderen Blick auf dieses schwierige Thema wirft und sich selbst dabei keineswegs ausklammert: „Wir übernehmen auch als Patienten oft viel zu wenig Verantwortung. Wenn wir nicht aufpassen, fahren wir alle gemeinsam das System vor die Wand.“

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