Notfallmedizin ist Detektivarbeit

Wolfgang Dierschke ist neuer Ärztlicher Leiter der Rüttenscheider ZNA.

Die Zentrale Notaufnahme (ZNA) des Alfried Krupp Krankenhaus in Essen-Rüttenscheid wurde 2023 modernisiert und verfügt unter anderem über einen modernen Schockraum mit zwei Behandlungsplätzen.
Im April 2025 hat Wolfgang Dierschke die ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im Rüttenscheider Alfried Krupp Krankenhaus übernommen. Im Interview erklärt der erfahrene Notfallmediziner, was er an seiner neuen ZNA besonders schätzt und in welchen Bereichen er und sein Team noch Verbesserungspotenzial sehen.
Herr Dierschke, Sie waren bereits in Ihrem vorherigen Haus Leiter der Zentralen Notaufnahme – Was hat Sie dazu bewegt, ins Alfried Krupp Krankenhaus zu kommen?
Das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen-Rüttenscheid ist eines der größeren Krankenhäuser im Ruhrgebiet, mit sehr guten Fachabteilungen und einem gutem Ruf. Das hat mich schon gereizt. Zudem ist die Notaufnahme sehr gut aufgestellt, was Personal und Ausstattung angeht. Als Leitung bieten sich da spannende Gestaltungsmöglichkeiten.
Nach vier Monaten sind Sie in Essen angekommen. Haben sich die Erwartungen an Ihren neuen Arbeitsplatz erfüllt?
Ja total. Ich erlebe eine gute Zusammenarbeit mit allen Abteilungen. Ich hatte tatsächlich Bedenken, ob das in einem so großen Haus immer reibungslos funktioniert. Tut es aber – bis in unser Steeler Haus, etwa bei pulmonologischen oder urologischen Fragestellungen.
Mein Team ist stark besetzt mit zwei stellvertretenden Leitungen, Annika Börner, Anästhesistin, und Elvira Vajna, Unfallchirurgin, sowie drei weiteren Oberärzten. Hinzu kommen sechs Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung – zusätzlich zu den Weiterbildungsassistenten der anderen Fachrichtungen, die hier ihre Einsätze haben.
Die Pflegefachkräfte stellen die meisten Mitarbeiter im Team der ZNA. Sie sind nah an den Patienten und können deren Gesundheitszustand sehr gut einschätzen. Das ist extrem wichtig und ich merke, dass das Pflegeteam wirklich Lust auf Notfallmedizin hat und auch bei gemeinsamen Fortbildungen immer interessiert dabei ist.
Die Fort- und Weiterbildung in der ZNA liegt Ihnen besonders am Herzen. Warum?
In der Notaufnahme und auf der Intensivstation lernt man, „wirklich Arzt“ zu sein. Die sechs Monate ZNA sind deshalb sehr wichtig für die internistische Weiterbildung. Ich möchte, dass die Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit möglichst viel für sich mitnehmen.
Wenn ein Patient sagt, er hat Bauchschmerzen – wie findet man heraus, was das sein könnte? Und wie stellt man diesen Patienten korrekt seinem Oberarzt vor, damit der reibungslos übernehmen kann? In der ZNA wird die Eigenständigkeit der jungen Kollegen trainiert und deshalb möchte ich die Qualität der Weiterbildung auch stetig verbessern. Neben dem „bedside teaching“ und theoretischen Themen üben wir deshalb in regelmäßigen Fallbeispielen das optimale Vorgehen im Notfall. Nur so lässt sich die nötige Sicherheit in allen Aspekten der Patientenversorgung gewinnen.
Für Fachärzte bieten wir zudem als eines der wenigen Krankenhäuser die Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ an, im Pflegedienst die Weiterbildung „Notfallpflege“.
Was macht für Sie den Reiz der Notfallmedizin aus?
Der Arztberuf ist einfach spannend – ein bisschen wie Detektivarbeit. Mal kommt jemand, der hat scheinbar nichts – und hat auch wirklich nichts. Dann kommt jemand, der hat scheinbar nichts und hat doch etwas ganz Schlimmes. Beide muss ich untersuchen und die richtige Diagnose stellen.
Genauso gern mag ich die Teamarbeit in ernsten Situationen wie im Schockraum.
Gehört ein Patient, der scheinbar nichts hat, überhaupt in die Notaufnahme?
Das ist das Dilemma der Notaufnahmen: Wir sind das niedrigschwelligste medizinische Angebot in der Stadt – ein bisschen wie eine große Hausarztpraxis. Menschen kommen mit allen möglichen Beschwerden und viele gehören eigentlich nicht in ein Krankenhaus. Manche aber eben doch und deshalb ist unsere Tür immer für alle offen.
Können Sie Menschen verstehen, die mit scheinbar kleinen Wehwehchen in die Notaufnahme kommen?
Natürlich. Wie soll denn ein Patient wissen, ob seine akuten Beschwerden gerade lebensbedrohlich sind oder auch bis nächste Woche warten können? Die niedergelassenen Haus- und Facharztpraxen können häufig keine zeitnahen Termine anbieten oder nehmen keine neuen Patienten an. Und so wenden sich die Menschen eben an uns.
Wartezeiten sind da vorprogrammiert. Wie stellen Sie sicher, dass dennoch alle gut versorgt werden?
Ich denke, dass wir im Alfried Krupp Krankenhaus eine sehr gute Triage, also Ersteinschätzung machen. Auch bei weniger dringlichen Beschwerden muss hier in der Regel niemand länger als drei Stunden warten. Das klingt vielleicht viel, ist aber schon ziemlich gut. Oft geht es deutlich schneller, es kann aber auch mal länger dauern – wenn zum Beispiel ein Notfallpatient per Rettungswagen kommt oder die zuständige Fachrichtung gerade ausgelastet ist.
Für viele Patienten ist das Warten in der Notaufnahme dennoch unbefriedigend und den Mitarbeitern schlägt dieser Unmut oft entgegen. Wie könnte Notfallmedizin hier besser werden?
Zunächst einmal müssen wir alle mehr Verständnis füreinander haben. Patienten können darauf vertrauen, dass das ZNA-Team einen guten Job macht – trotz der Wartezeiten.
Organisatorisch müssen wir versuchen, Druck aus dem System zu nehmen. Dann entstehen auch weniger stressbedingte Konflikte. Der richtige Weg führt meines Erachtens über eine gemeinsame Notaufnahme mit den Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV).
Im Alfried Krupp Krankenhaus wird das bereits jetzt sehr gut und kollegial umgesetzt. Patienten kommen an unseren Tresen und werden von dort direkt richtig weitergeleitet – je nach Beschwerde zur KV oder in die ZNA des Krankenhauses. Wenn die politischen Voraussetzungen gegeben sind, die gemeinsame Versorgung ganztägig auszubauen, können wir das hier in Rüttenscheid sofort umsetzen.
Sie sind als Rettungssanitäter und als Notarzt selbst Einsätze gefahren. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den Rettungsdiensten in Essen?
Wir haben hier eine wirklich gute Notfallversorgung. In kürzester Zeit sind RTW und NEF bei den Patienten vor Ort und im Ernstfall können die Kollegen genauso schnell das nächste Krankenhaus erreichen.
Für mich ist es wichtig, beide Seiten zu kennen, also auch Notfälle draußen miterlebt zu haben und zu verstehen, wann und warum die Kolleginnen und Kollegen das Krankenhaus anfahren.
Wenn Patienten zu uns kommen, hat der Notarzt oder Notfallsanitäter meistens bereits mit einem unserer Oberärzte telefoniert. Die Patienten kommen dann perfekt vorbereitet bei uns an. Das läuft hier in Essen wirklich sehr gut.
Zur Person
Wolfgang Dierschke ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Als Kardiologe und Notfallmediziner verfügt er über weitere Qualifikationen und Weiterbildungen wie Klinische Akut- und Notfallmedizin, Notfallsonographie DEGUM Stufe I, ACLS-Instruktor, Hypertensiologe (DHL), Lipidologe (DGFL), Zusatzqualifikation Sportkardiologie (DGK) und Zusatzqualifikation spezielle Rhythmologie – aktive Herzrhythmusimplantate (DGK).
Seine medizinische Laufbahn begann der gebürtige Frankfurter mit einer Ausbildung zum Physiotherapeuten sowie langjähriger Tätigkeit als Rettungssanitäter. Noch vor Ende der Physiotherapieausbildung wechselte er zum Medizinstudium nach Homburg und beendete sein Studium in Essen. Heute lebt Wolfgang Dierschke in Bochum, wo er als Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit mit seiner Frau und seiner Tochter viel Zeit im eigenen Garten verbringt.
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